ℹ️ Epiktet & Demokratie
Epiktet lebte etwa 50–135 n. Chr. – also lange nach der klassischen athenischen Demokratie, die im 4.–5. Jahrhundert v. Chr. ihre Blütezeit hatte. Die direkte Demokratie in Athen existierte also nicht mehr zu seiner Zeit; Athen war inzwischen unter römischer Herrschaft. Epiktet selbst war Stoiker und hat sich vor allem mit ethischer Selbstführung, innerer Freiheit und Tugend beschäftigt. Er äußerte sich nicht direkt politisch zur athenischen Demokratie, wie Sokrates, Platon oder Aristoteles.
1. Wer war Epiktet?
2. Selbstkontrolle & Verantwortung
3. Tugend und Freiheit
4. Indirekte Relevanz für Demokratie
5. Kritische Reflexion
Weiterführende Quellen
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Wer war Epiktet?
Epiktet war ein Stoiker, der als Sklave geboren wurde und später Lehrer der Philosophie wurde. Sein Denken konzentrierte sich auf innere Freiheit, Selbstkontrolle und ethische Lebensführung. Er lebte lange nach der klassischen athenischen Demokratie, weshalb er sich nicht direkt zu politischen Systemen äußerte.
Zitat: 'Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral: #5'
Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen über dieselben beunruhigen die Menschen. So ist der Tod an und für sich nichts Schreckliches, sonst wäre er auch dem Sokrates so vorgekommen; vielmehr ist die vorgefaßte Meinung von ihm, daß er etwas Schreckliches sei, das Schreckhafte. Wir wollen daher, wenn wir von etwas gehindert, beunruhigt oder betrübt werden, niemals andere anklagen, sondern uns selber, nämlich unsere Meinung davon. Seines Unglücks wegen andere anklagen, ist die Art der Ungebildeten, sich selbst, die der Anfänger, noch sich, die der gebildeten und vollständig erzogenen.'
Interpretation: Er zeigt, dass innere Einstellung und Urteilskraft zentral sind – auch für Bürger, die Verantwortung in einer Demokratie übernehmen.
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Selbstkontrolle & Verantwortung
Epiktet lehrt, dass man die Kontrolle über sich selbst haben muss – Gedanken, Emotionen und Entscheidungen. Für eine funktionierende direkte Demokratie bedeutet das: Wer seine eigenen Impulse und Vorurteile nicht reflektiert, kann leicht den Entscheidungen anderer folgen oder manipuliert werden.
Zitat: 'Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral: #2' Mache dir klar, daß die Begierde das Erlangen desjenigen verspricht, was man begehrt, die Abneigung aber nicht in das hineingeraten will, was verabscheut wird, und daß der, welchen seine Begierde täuscht, unglücklich ist, noch unglücklicher aber der, welcher in das gerät, was er nicht leiden kann.
Wenn du nun bloß das verabscheust, was denjenigen Dingen zuwider ist, welche in deiner Macht stehen, so wird dir nichts, was du verabscheuen müßtest, begegnen können. Verabscheust du aber die Krankheit, oder den Tod, oder die Armut, so wirst du unglücklich werden. Gestatte dir daher keine Abneigung gegen alles, was nicht in unserer Macht ist, und laß sie nur gegen das walten, was der Natur der in unserer Macht stehenden Dinge zuwider ist.
Der Begierde aber enthalte dich vorderhand gänzlich. Denn begehrst du etwas, was nicht in unserer Macht ist, so mußt du notwendig das Glück vermissen; von dem aber, was in unserer Macht ist und was zu begehren sich ziemt, weißt du einstweilen noch nichts. Bei allem Begehren und Verabscheuen wende dich nur sanft und gelassen ab und zu
Interpretation: Unsere Wahrnehmung ist subjektiv. Nur wer das erkennt und seine Urteile reflektiert, kann verantwortungsbewusst in einer Demokratie handeln.
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Tugend und Freiheit
Für Epiktet bedeutet Tugend, unabhängig von äußeren Umständen richtig zu handeln. In einer Demokratie ist das entscheidend: Bürger sollten reflektiert, verantwortungsbewusst und frei von Manipulation agieren.
Zitat: 'Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral: #13'
Wenn du in der Weisheit gehörig vorwärtskommen willst, so ertrage es geduldig, wegen äußerer Dinge für unverständig oder dumm gehalten zu werden. Wolle nicht erscheinen, als wüßtest du etwas, und selbst wenn du andern etwas zu sein scheinst, so mißtraue dir selbst.
Denn es ist, das mußt du wissen, nicht leicht, zugleich den innern Vorsatz und die äußeren Dinge festzuhalten, vielmehr notwendig, daß der, welcher das eine davon eifrig betreibt, das andere darüber vernachlässigen muß..
Interpretation: Wer innerlich frei ist und seine Urteile bewusst trifft, kann sich auch in demokratischen Prozessen frei und sinnvoll beteiligen.
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Indirekte Relevanz für Demokratie
Epiktet sprach nicht über konkrete Staatsformen, aber seine Philosophie lässt sich auf direkte Demokratie übertragen: Wer sich selbst beherrscht, tugendhaft handelt und reflektiert entscheidet, trägt zu einer besseren demokratischen Kultur bei.
Zitat: 'Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral: #8:'
Begehre nicht, daß die Sachen in der Welt gehen, wie du es willst, sondern wünsche vielmehr, daß alles was geschieht, so geschehe, wie es geschieht, dann wirst du glücklich sein.
Interpretation: Innere Selbstkontrolle ist Voraussetzung dafür, dass Bürger informierte, verantwortliche Entscheidungen treffen können.
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Kritische Reflexion
Epiktet liefert wertvolle Prinzipien für das Verhalten von Bürgern, bleibt aber politisch eher abstrakt. Er sagt, wie Menschen sich innerlich verhalten sollten, aber er entwickelt keine Methoden, wie Bürger praktisch informiert oder in politische Prozesse eingebunden werden können. Für direkte Demokratie braucht es neben innerer Tugend auch Bildung, Information und aktive Beteiligung – hier liefert Epiktet keine konkreten Anleitungen.
Zitat: 'Epiktet: Handbüchlein der stoischen Moral: #13:'
Wenn du in der Weisheit gehörig vorwärtskommen willst, so ertrage es geduldig, wegen äußerer Dinge für unverständig oder dumm gehalten zu werden. Wolle nicht erscheinen, als wüßtest du etwas, und selbst wenn du andern etwas zu sein scheinst, so mißtraue dir selbst. Denn es ist, das mußt du wissen, nicht leicht, zugleich den innern Vorsatz und die äußeren Dinge festzuhalten, vielmehr notwendig, daß der, welcher das eine davon eifrig betreibt, das andere darüber vernachlässigen muß.
Interpretation: Verantwortung allein reicht nicht – Bürger müssen auch Werkzeuge und Wissen haben, um reflektiert mitbestimmen zu können.
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Weiterführende Quellen
- Epiktet, Handbüchlein der Moral (Enchiridion)
- Epiktet, Gespräche (Discourses)
- Sekundärliteratur: Epiktet und stoische Ethik im politischen Kontext